Friederike Klein

Wissenschaftliche Fachkommunikation

Streit um Krebsmedikamente – Patienten sind die Dummen

Immens hohe Preise für neue Krebsmedikamente erhitzen weltweit die Gemüter. Nicht nur in Deutschland ist unklar, wie die extrem teuren Innovationen in Zukunft noch bezahlt werden sollen. Die frühe Nutzenbewertung soll eigentlich helfen, einen angemessenen Preis im Verhältnis zum Nutzen für Patienten zu erzielen. Das klappt immer öfter nicht, wie das Beispiel Regorafenib zeigt. Es wird bei metastasiertem Darmkrebs und so genannten gastrointestinalen Sturmatumoren (GIST) eingesetzt, wenn andere Möglichkeiten der Behandlung versagt haben.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hatte in seiner frühen Nutzenbewertung eigentlich festgestellt, dass die zur Verfügung stehenden Daten für einen geringen Zusatznutzen sprechen. Der Gemeinsame Bundesausschuss als beschlussfassendes Organ, in dem die Krankenkassen mit fünf Vertretern relativ stark vertreten sind, fand das in seiner Entscheidung zuletzt jedoch nicht.

Ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht bescheinigter Nutzen bedeutet aber eine sehr schwache Position bei der Preisverhandlung mit den Krankenkassen. Daraufhin hat BAYER Regorafenib am 15. April 2016 vom Markt genommen, weil das Unternehmen keine Möglichkeit sah, einen wirtschaftlich akzeptablen Preis zu erzielen.

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) kritisierte beide Seiten: BAYER habe im Verfahren zu Regorafenib bei GIST-Patienten kein Dossier für die Nutzenbewertung eingereicht und damit nicht die erforderliche Transparenz bezüglich der zugrundeliegenden Studiendaten ermöglicht. Auf der anderen Seite sei bei der G-BA-Entscheidung nicht nachvollziehbar, warum bei gleichen oder sogar etwas besseren Daten als in der Erstbewertung jetzt eine ungünstigere Festlegung zu Regorafenib erfolgte, und zwar sowohl entgegen dem Vorschlag des IQWiG als auch entgegen den Stellungnahmen der maßgeblichen internistischen Fachgesellschaften. Den Krankenkassen könne zudem eine härtere Verhandlungstaktik zur stärkeren Reduktion der Ausgaben für neue Arzneimittel unterstellt werden. Auch hier seien Transparenz und Fairness anzumahnen.

Ärzte und Patienten verunsichert die plötzliche Marktrücknahme natürlich. Begonnene Therapien können nur fortgesetzt werden, wenn das Medikament aus dem Ausland importiert wird. Nach Sipuleucel-T und Bosutinib ist Regorafenib bereits das dritte Krebsmedikament, das im Zusammenhang mit der frühen Nutzenbewertung vom deutschen Markt genommen wurde. Bosutinib soll nach erneuten Verhandlungen zwischen den Krankenkassen und dem pharmazeutischen Unternehmer eventuell wieder auf den Markt kommen.

Die DGHO fordert alle Beteiligten auf, das Vertrauen der Krebspatienten und der behandelnden Ärzte in die Verlässlichkeit der Versorgung mit neuen Arzneimitteln in Deutschland nicht durch inhaltlich nicht nachvollziehbare Entscheidungen, kurzfristige Marktrücknahmen oder überzogene Forderungen zu gefährden.

 

Autor: FK

Diplom Biologin, Wissenschafts- und Medizinjournalistin und Redakteurin

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